Fehlende Arbeitskräfte haben sich zu einem eklatanten Risiko für deutsche Unternehmen entwickelt – unabhängig von der Größe. In allen Berufsgruppen, ob Handwerk, Ingenieurswesen, Medizin oder Pflege, in allen Branchen und in allen Regionen – überall fehlt Personal. Der gesellschaftliche Wohlstand in Deutschland kann nur erhalten werden, wenn Fachkräfte aus der EU oder aus dem außereuropäischen Ausland auf dem deutschen Arbeitsmarkt zugelassen werden. Aus diesem Grund ist am 01.03.2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten, um damit den Zugang und die Perspektiven für qualifizierte Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern zu erleichtern, die unsere Wirtschaft dringend benötigt.

Im Jahr 2022 gab es mehr als 1,7 Millionen offene Stellen in Deutschland. Bis 2035 könnte der deutsche Arbeitsmarkt um bis zu sieben Millionen Arbeitskräfte schrumpfen, wenn nicht gehandelt werde. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder eine Zahl auf: 400.000 Zuwandernde werden jährlich notwendig, um die Lücke am Arbeitsmarkt zu stopfen. [1]

Viele Unternehmen sehen die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften als größten Hebel, um den Folgen des demografischen Wandels zu begegnen. Doch ist die Einwanderung von Fachkräften kein Selbstläufer. Die größte Hürde ist die Sprachbarriere. Während in manchen Berufszweigen wie z.B. IT die deutsche Sprache nicht von elementarer Bedeutung ist, sind fließende Deutschkenntnisse in anderen Berufen/Branchen eine absolut notwendige Voraussetzung. D.h. im Klartext: die ausländischen Fachkräfte müssen bereits bei Ankunft in Deutschland am besten muttersprachlich Deutsch sprechen.

Die nächste Hürde ist die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen. Langwierige, bürokratische Prozesse lassen arbeitswillige Fachkräfte lange im Heimatland im Ungewissen und spannen einstellungswillige Firmen auf die Folter. Zudem müssen die Unternehmen gewährleisten, dass die ausländischen Mitarbeitenden angemessen – vergleichbar mit dem deutschen Lohnniveau – verdienen und sie bei der Wohnungssuche unterstützt werden.

Wer dringend vakante Stellen besetzen möchte, muss bei der Einstellung von Personen aus Drittländern einen langen Atem haben. Schnelligkeit ist nicht gerade die Stärke in den hiesigen Verwaltungen, da sie u.a. nicht auf die erhöhte Nachfrage von ausländischen Bewerbenden vorbereitet sind.

Zusätzlich kämpft Deutschland mit anderen EU-Mitgliedern und den USA um Arbeitssuchende aus Drittstaaten, wo die Karrierechancen teilweise deutlich höher und die bürokratischen Prozesse kürzer sind.

In der Literatur und Medienberichten wird im Zusammenhang mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht über Ängste und Vorurteile gegenüber ausländischen Mitarbeitenden berichtet. Doch die Arbeitgeber beschäftigen auch Fragen wie lange die Arbeitskraft in Deutschland bleiben wird, wie die Integration verläuft, wie die Mitarbeitenden und Kunden auf Sprachhemmnisse, andere Hautfarben, kulturell geprägte Verhaltensweisen reagieren? Das sind ernst zu nehmende Vorbehalte, die vor einer Rekrutierung ausländischer Fachkräfte intern besprochen und geklärt werden müssen.

Eine Integration kann nur gelingen, wenn ein Integrationskonzept vorliegt, eine Willkommenskultur sowie interkulturelle Kompetenz gelebt wird. Integration geschieht nicht von selbst, sondern ist ein andauernder Lernprozess. Wer als Arbeitgeber Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen und halten möchte, sollte diesen Prozess angehen. Der Blumenstrauß zur Begrüßung wird allein nicht ausreichen.

[1] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB-Stellenerhebung; Bundesagentur für Arbeit. Stand: 12. Mai 2022

Die 5-Tage-Woche ist wie ein Naturgesetz in unserer Arbeitswelt verankert. Täglich acht Stunden arbeiten; genauso wie es unsere Eltern schon gemacht haben. Erinnern wir uns: 1966 wurde dieses Modell anstelle der 6-Tage-Woche eingeführt. Mit Einführung von Fließbandarbeit und zunehmender Industrialisierung wurden Produktion, Produktivität und Gewinne gesteigert. Die Arbeitszeit wurde sukzessive von 48 auf 40 Stunden gesenkt. Trotz weniger Arbeitstage und -zeit hat sich seitdem unser Wohlstand vermehrfacht.

Zurück in die Gegenwart: Heute beschleunigen zunehmende Digitalisierung und Technologisierung unsere Prozesse und schaffen Freiräume für neue Kapazitäten. Dadurch gerät die klassische 5-Tage-Woche ins Wanken, und sie wird kritisch hinterfragt. Die Forschung zeigt, dass Menschen in Teilzeitmodellen zwischen 10 und 15% produktiver sind als Vollzeitangestellte. Gemäß einer Umfrage der HDI aus 2022, würde ein Großteil der Arbeitnehmer die Arbeitszeit reduzieren, in Teilzeit oder in eine 4-Tage-Woche wechseln wollen – vorausgesetzt der Lohn stimmt. Denn nur 13,7% der Befragten würden bei der Arbeitszeitreduzierung auf Gehalt verzichten wollen.

Auf Arbeitgeberseite wird die Frage laut, wie das hohe Arbeitsaufkommen in Anbetracht fehlender Fachkräfte an vier Tagen erledigt werden soll. Fast 50% der Unternehmen sahen das Geschäft durch den Mangel an Personal beeinträchtigt. Die Wünsche der heranwachsenden Generationen in Einklang zu bringen mit traditionellen Arbeitsmodellen klingt nach der Quadratur des Kreises. In westlichen Industrienationen steht die klassische 5-Tage-Woche auf dem Prüfstand: Belgien hat Anfang dieses Jahres die 4-Tage-Woche gesetzlich verankert – allerdings bei gleicher Stundenanzahl – und zahlreiche Unternehmen setzten dieses Modell oder andere flexible Arbeitszeitmodelle bereits vor Jahren mit Erfolg um.

Es gibt für beide Seiten gute Argumente für und gegen die Reduzierung der Arbeitszeit auf gleichem Lohnniveau. Und es wird auch keine Lösung geben, die auf alle Branchen passen wird. In Branchen, in denen die Anwesenheit nicht zwingend notwendig für die Ausführung der Arbeit ist wie z.B. in IT-Berufen lässt sich tendenziell ein 4-Tage-Modell eher umsetzen. Problematischer wird der Fall in Berufen der Gesundheitsbranche, da die Anwesenheit des Personals vorausgesetzt wird. Weniger Anwesenheit würde mehr Personal bedeuten, was aktuell ohnehin schon knapp ist.

Ein Experiment in Island stimmt wiederum euphorisch, dass die 4-Tage-Woche bei gleichbleibendem Gehalt funktionieren kann. Trotz reduzierter Arbeitszeit blieben Produktivität und erbrachte Leistungen gleich, teilweise verbesserten sie sich auch. Der Erfolg basiert auf der Überarbeitung von Arbeitsroutinen. Meetings wurden verkürzt oder gänzlich durch eMails ersetzt, und es wurde gezielt nach Aufgaben gesucht, die sich streichen ließen.

In einem anderen Unternehmen wurde die Arbeitszeit auf sechs Stunden pro Tag verkürzt. Voraussetzung war (die Angestellten hatten die Wahl diesem Pilotprojekt zuzustimmen), dass die private Korrespondenz via Telefon, WhatApp o.ä., den Mitarbeitenden gänzlich untersagt wurde. Und siehe da: Die Arbeitszeit wurde wesentlich effizienter genutzt, die Produktivität stiegt und die Beschäftigten freuten sich über mehr Freizeit.

Unabhängig von dem Modell, ob 4- oder 5-Tage-Woche, ob Teil- oder Vollzeit, unabhängig von Branche und Tätigkeit, geht es um mehr Arbeitszeitflexibilität angepasst an den individuellen Bedürfnissen. Während einer Familienphase mit kleinen Kindern ist sicherlich mehr Flexibilität gewünscht als von familiär unabhängigen Menschen. Wünschenswert ist die grundsätzliche Offenheit, andere Arbeitsweisen und -modelle auszuprobieren und das für sich passende Mosaik zu entwickeln. Es braucht Mut, neue Wege einzuschlagen, aber es lohnt sich. Übrigens sind flexible Arbeitsmodelle ein elementares Entscheidungskriterium für oder wider eines Jobs bzw. Arbeitgebers. Nutzen Sie Flexibilität als Ihr I-Tüpflchen und Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Mitbewerbern.

Restaurants bleiben geschlossen, Handwerker lassen lange auf sich warten, Urlauber verpassen ihre Flüge und Oma findet keinen Platz in der Pflege. Personalknappheit ist über alle Branchen hinweg spürbar. Jeder zweite Betrieb ist vom Fachkräftemangel betroffen.[1] Nur wohin sind die Fachkräfte abgewandert?

„Bis 2040 werden etwa 8,7 Millionen Arbeitskräfte mehr den Arbeitsmarkt verlassen als in diesen eintreten.“[2]Dass der demografische Wandel, dazu führt, dass weniger junge, erwerbsfähige Menschen auf dem Arbeitsmarkt nachrücken als in Rente gehen, sollte inzwischen bei jedem Arbeitgeber angekommen sein.

Während der Coronakrise wurde in zahlreichen Betrieben Personal abgebaut oder in Kurzarbeit geschickt. Daraufhin haben sich die betroffenen Personen Jobs in anderen Branchen gesucht – und dabei ganz offensichtlich festgestellt, dass sie dort bessere Arbeitsbedingungen und günstigere Arbeitszeiten vorfinden sowie höhere Gehälter gezahlt werden. Die Pandemie hat insbesondere in den Branchen, die im Lockdown waren, ein Umdenken bei den Beschäftigten ausgelöst. Wer aus der Gastronomie in den Supermarkt wechselte, stellte möglicherweise fest, dass die Arbeitszeiten flexibler und familienfreundlicher sind und die Bezahlung trotz fehlender Trinkgelder besser ist. Eine Rückkehr in den alten Beruf lehnen viele Personen nach monatelanger Schließung schlichtweg ab. Zum einen haben sie sich inzwischen in der neuen Tätigkeit gut eingearbeitet und zum anderen haben sie Angst vor einer erneuten Schließung.

In Branchen wie der Pflege klagen die Mitarbeitenden über schlechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung, Überlastung und zunehmende Bürokratie. Das sind Gründe, warum auch diese Berufsgruppe in andere, hinsichtlich der o.g. Kriterien attraktivere Branchen abwandert.

Was den Arbeitsmarkt zusätzlich belastet, ist die Tatsache, dass sich Anzahl an Abiturienten in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat. Wer früher eine Ausbildung machte, geht heute studieren (Stand August 2022 entspricht das 55,8% der Schulabgänger; eine Änderung ist nicht in Sicht.). Diese Arbeitskräfte fehlen auf dem Markt, insbesondere im Handwerk, in der Gastronomie sowie in Transport und Logistik.[3] Die Abiturienten sehen im Studium bessere Jobchancen auf dem Arbeitsmarkt, vielfältigere Perspektiven und höhere Bezahlungen.

So viel zu den ernüchternden Fakten. Ein Mangel an Fachkräften birgt immer Chancen, den Arbeitsmarkt zu verändern. In einer sehr komplexen Arbeitswelt gilt es starre Strukturen aufzubrechen, Arbeitsmodelle flexibler zu gestalten, Gleichberechtigung zu forcieren, Arbeit anders zu verteilen z.B. unter Einsatz neuer Technologien wie Robotik, um ein (Arbeits-)Leben lebenswert zu gestalten.

Sind Sie dazu bereit? Arbeitgeber sind aufgefordert, die Wünsche der zukünftigen Generationen zu berücksichtigen, umzusetzen und zu leben. Nur so werden Sie dauerhaft als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Es wird sich lohnen, sich mit dem Markt weiterzuentwickeln, damit kein Mangel an Fachkräften entsteht. Auf Veränderungen in Ihrer Branche, Produktwelt oder Kundengruppe reagieren Sie doch, oder?

[1] Ifo-Institut, 02.08.2022

[2] Wirschaftswoche, Detlef Scheele, 17.07.2022

[3] Zdf heute, Allzeithoch bei offenen Lehrstellen, 18.08.2022

Die Freude ist groß, wenn der passende Mitarbeiter[*] für eine Schlüsselposition gefunden wurde und der Wunschkandidat den Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Die Enttäuschung ist umso größter, wenn der Kandidat den Job nicht antritt und dieses ggf. erst kurzfristig vor Arbeitsbeginn mitteilt. Gut ein Drittel aller Arbeitsverträge werden vor Arbeitsbeginn gekündigt! Tendenz steigend.[†]

Eine Kündigung vor Arbeitsantritt kostet heutzutage mehrere Tausend Euro, die allein für die Recruiting Maßnahmen entstehen. Die investierte Zeit und der bevorstehende Arbeitsausfall sind noch nicht einmal mit einberechnet. Der gesamte Bewerbungsprozess startet wieder bei null.

Es stellt sich die Frage, ob sich eine Kündigung vor Arbeitsantritt vermeiden lässt. Nein. Jedoch können entsprechende Maßnahmen dazu beitragen, diese Option zu verringern. Die heiß umworbenen Kandidaten können heute zumeist aus vielen Angeboten auswählen. Nicht selten wertet der aktuelle Arbeitgeber sein Angebot auf, wenn der Mitarbeiter die Kündigung einreicht und ihn damit zum Bleiben bewegt. Sobald ein besseres Angebot lockt mit besserem Gehalt, spannenderen Aufgaben, kürzerer Fahrstrecke, mehr Urlaub oder anderen attraktiveren Vorteilen, sind Verbindlichkeit, Verpflichtung und Moral keine Tugenden mehr.

Welche Möglichkeiten können den Kandidaten verstärkt an den zukünftigen Arbeitgeber binden? Bereits bei der Personalauswahl ist darauf zu achten, ob der potenzielle Kandidat für die Aufgabe „brennt“. Bedeutet die angebotene Position eine Weiterentwicklung oder eher ein Seitwärts- oder gar ein Rückschritt? Erzeugen das Gehaltsangebot sowie die Rahmenbedingungen einen Anreiz oder eher ein Schulterzucken? Das Angebot als auch der Bewerber sollen keine Verlegenheitslösungen sein, ansonsten ist eine schnelle Kündigung vorprogrammiert.

Mitunter kann eine Vertragsstrafe eine wirksame Prävention sein. Die Gestaltung des Arbeitsvertrags kann durch entsprechende Zusätze ergänzt werden, die eine Kündigung vor Arbeitsbeginn ausschließen oder bei Vertragsbruch eine Vertragsstrafe zur Folge haben. Längere Kündigungsfristen in der Probezeit sind eine Option, den Mitarbeiter vom neuen Arbeitsumfeld doch noch zu überzeugen.

Aus meiner Erfahrung am wichtigsten ist die frühzeitige Bindung zum Kandidaten, denn zwischen Vertragsabschluss und Arbeitsbeginn können Wochen oder Monate entstehen. Tendenziell steigt die Kündigungswahrscheinlichkeit, je länger der Zeitraum zwischen Abschluss und erstem Arbeitstag ist. Der enge Kontakt zu dem neuen Mitarbeiter ist ausschlaggebend für eine langfristige Beschäftigung. Einladungen zu Meetings, zu Firmenveranstaltungen oder zu Seminaren schaffen Nähe. Je früher sich der Arbeitgeber um den neuen Mitarbeiter kümmert, je mehr dieser sich als Teil der „Unternehmens-Familie“ fühlt, desto höher wird die Bindung und desto geringer wird die Option Kündigung. Bildlich gesprochen: Nach einem Heiratsantrag würde der Kontakt zum/r Auserwählten sich mit Sicherheit eher erhöhen als gänzlich einschlafen. Der Spannungsbogen darf wie bei einem fesselnden Roman nicht abreißen, sondern soll stets gesteigert werden. Nur so bleibt der Bewerber neugierig auf den nächsten Schritt und sehnt sich mit Vorfreude den Arbeitsbeginn herbei, und der Super-Gau kann vermieden werden.

[*] (w/m/x) gilt für den gesamten Text

[†] Haufe: Exzellentes Onboarding: So gehen Sie vor / 1.1 Preboarding: Maßnahmen vor Arbeitsantritt

 

Wir haben keinen Fachkräftemangel. Wir haben einen Mangel an guten Arbeitgebern.

Hand auf Herz: Wissen Sie, was einen guten Arbeitgeber ausmacht? Welche Besonderheiten Sie als Arbeitgeber auszeichnet? Was Ihre Mitarbeiter:innen an Ihnen als Arbeitgeber schätzen? Und was sie sich von Ihnen für die Zukunft wünschen? Nur jedes dritte Unternehmen in Deutschland weiß, wie es von potenziellen Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen wahrgenommen  werden möchte und wird. Gleichzeitig rechnen zwei Drittel der Unternehmen damit, dass die Bedingungen für die Personalgewinnung und -bindung schwieriger werden. [1]

Da wirft sich doch die Frage auf, warum die deutschen Unternehmer:innen, sich nicht verstärkt mit dem Thema Arbeitgebermarke auseinandersetzen? Eigentlich liegt es doch auf der Hand, was zahlreiche Studien zur Arbeitgeberattraktivität belegen[2], Marketing in eigener Sache zu betreiben, um sich am Arbeitsmarkt bestmöglich zu verkaufen. Die Maßnahmen wirken sich sowohl positiv nach außen und innen aus wie z.B. bessere Bewerbungsquoten und höhere Mitarbeiterbindung. Es erweckt den Anschein, dass die meisten Unternehmen die Alleinstellungsmerkmale der Produkte oder Leistungen wesentlich besser vermarkten können als die Besonderheiten als Arbeitgeber. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Vorzüge der Produkte/Leistungen bekannt sind, die als Arbeitgeber jedoch nicht.

Die positiven Aspekte einer Arbeitgebermarke sind offensichtlich: Steigerung der Bekanntheit und Attraktivität, Verbesserung der Mitarbeiterbeziehungen, Aufbau eines Images, Erhöhung des Engagement der Mitarbeiter:innen und neben weiteren Pluspunkten Aufbau eines Wettbewerbsvorteils gegenüber den Mitbewerbern. Ich denke, dass die Nachteile derzeit die Unternehmen an einem Aufbau hindern: Der Marketingprozess ist kein Spaziergang, sondern ein Marathon und der zeitliche Aufwand ist hoch. Die Investitionskosten sind hinsichtlich des Return-on-investment schwer messbar. Die Marke muss dauerhaft nach innen und außen gelebt werden, damit sie authentisch ist. Lohnt sich der Aufwand? Ja! Haben die Unternehmen eine Wahl, wenn sie sich bei der Gewinnung und Bindung der begehrten Fachkräfte nicht von der starken Konkurrenz geschlagen geben wollen. Ich sehe ein sehr großes Potenzial in der Employer Brand. Es wird das Bewusstsein für Bedürfnisse und Wünsche der Arbeiternehmer:innen, für die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und die Besonderheiten der unterschiedlichen Generationen schärfen.

Und welche Anforderungen stehen aktuell bei Beschäftigten und Suchenden auf der Wunschliste? Arbeitsplatzsicherheit und finanzielle Stabilität des Unternehmens, attraktive Löhne und Sozialleistungen, flexible Arbeitszeiten und -orte, gute Arbeitsatmosphäre und angenehmes Betriebsklima sowie berufliche Perspektiven und Weiterbildungsmöglichkeiten. Das bieten Sie als Unternehmen? Dann stellen Sie doch bitte heraus, dass Sie ein guter Arbeitgeber sind.

[1] Personalwirtschaft, 22.01.2020

[2] Stepstone, Top Job, Universität St.Gallen u.v.m.

Arbeit ist für uns weit mehr als der reine Broterwerb. Zu arbeiten gibt einen Sinn, definiert unseren Platz in der Gesellschaft, strukturiert unser Leben und stärkt das Selbstwertgefühl. Für viele Menschen ist der Beruf zum Geldverdienen da. Die heranwachsenden Generationen stellen zunehmend die Fragen nach dem „Warum“ (Y = Why) und wann Arbeit Sinn macht.

Die Frage nach dem Sinn steht immer nach der Frage des Geldes. Denn primäre Zielsetzung der Arbeit ist die Existenzsicherung. Die Sinnfrage, womit verbringe ich eigentlich einen Großteil meiner Lebenszeit, ist erst einmal zweitrangig. Worin der einzelne Beschäftigte einen Sinn im Job sieht, ist individuell geprägt.

Die Ansätze von New Work definieren Arbeit in unserem Leben neu und stellen die Aspekte der Sinnhaftigkeit ins Zentrum von Arbeit. Prinzipiell ist jede Art von Arbeit an sich sinnvoll, doch ist der Sinn nicht immer offensichtlich, wenn jemand nicht gerade für das Wohl von Menschen, Tieren oder Umwelt beruflich verantwortlich ist. Arbeit wird insbesondere dann als sinnhaft empfunden, wenn sie einen Beitrag für einen größeren Zweck leitest, sie zu den Idealen und zu der jeweiligen Lebenssituation passt und wenn das Tun wertgeschätzt wird.

Menschen, die sich mit den Aufgaben und dem Arbeitgeber identifizieren, sind wesentlich motivierter und engagierter. Der Grund, warum manche Menschen lieber zur Arbeit gehen als andere ist, dass sie zeigen können, was sie gut können, dass sie einen Beitrag zum Gesamtergebnis leisten und mitgestalten können und dass sie Anerkennung erhalten. Wer den Sinn der Tätigkeit nicht sieht, wird demotiviert, leistungsschwächer oder gar krank werden.

Unternehmen können Rahmenbedingungen schaffen, dass Arbeit als sinnhaft erachtet wird. Es werden angenehme Arbeitsatmosphäre geschaffen, ein faires Miteinander gelebt, Verantwortungsbewusstsein und Entscheidungsfreiheiten forciert, Anerkennung und Wertschätzung ausgedrückt. Der Beitrag jedes Einzelnen ist ein wichtiges Puzzlestück im Gesamtgefüge, ohne den das Unternehmen nicht dauerhaft bestehen kann. Führungskräfte sind gefragt, den Sinn der Tätigkeiten für die Mitarbeiter herzustellen. Diese Transparenz schafft Motivation, höhere Leistungsbereitschaft und geringe Krankenstände.

Auf dem Arbeitsmarkt hat der Aspekt Sinnhaftigkeit bei den Jobsuchenden oder Wechselwilligen einen hohen Stellenwert. Arbeitgeber, die der Arbeit einen Sinn geben und diesen hervorheben, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil (Stichwort Arbeitgeberattraktivität).

Jeder Mensch will gebraucht werden und sollte einen Sinn im Job finden.

Der Begriff „Fachkräftemangel“ klingt inzwischen ziemlich abgedroschen, jedoch wird uns der Zustand mangelnder Fachkräfte weiterhin begleiten. Bereits 2016 hatte ich in diesem Zusammenhang an Arbeitgeber für mehr Offenheit hinsichtlich der Personalgewinnung sowie der Besetzung vakanter Positionen appelliert.

Nun schreiben wir das Jahr 2021 und finden keinen Weg heraus aus diesem Dilemma. Unternehmen sehen den Fachkräftemangel als ihr größtes Geschäftsrisiko, da jede zweite Firma offene Stellen längerfristig nicht besetzen kann. Ich bin wie bereits vor fünf Jahren davon überzeugt, dass einige Punkte in Bezug auf den Fachkräftemangel „hausgemacht“ sind.

In diesem Zusammenhang ist es erstaunlich, dass sich etliche DAX-Konzerne im Rahmen einer Vorruhestandregelung und attraktiver Altersteilzeitangebote von erfahrenen Fachkräften allein aufgrund ihres Alters trennen wollen. Da in der Regel ältere Kollegen mehr verdienen als jüngere, können durch diese Maßnahmen Personalkosten schneller gesenkt werden. Zigtausende, meist hoch qualifizierte Mitarbeiter werden zum alten Eisen erklärt und aussortiert. Fachkräftesicherung sieht anders aus.

Der Autobauer Ford will sogar schon 50-jährige frühverrenten, obwohl noch 17 Jahre bis zum regulären Renteneintritt fehlen. Vielen älteren Mitarbeitern wird mangelnde Dynamik vorgeworfen, die jedoch immer früher abnimmt, wenn der Rententritt vorverlegt wird. D.h. wenn ich mit 45 Jahren bereits weiß, dass ich mit 50 in Rente gehen werde, wird damit gleichzeitig die Einsatzbereitschaft abnehmen. Wieso sollte ich mich noch krumlegen, wenn ich ohnehin kurzfristig aussortiert werde?

Die Frühverrentungswelle wirkt sich auch negativ auf den Mittelstand aus, die händeringend nach Fachkräften suchen. Die Altersteilzeit bedeutet, dass in aller Regel die Betroffenen den Arbeitsmarkt dauerhaft verlassen, da sie keine andere Arbeit annehmen dürfen. Es geht neben der Fachkraft an sich auch ein ganzer Erfahrungsschatz verloren.

Zusätzlich zu den „Silver Worker“ wird die Zielgruppe „Frauen“ vernachlässigt. Warum ist wohl eine Frauenquote notwendig? Der Anstieg bei der Beschäftigung von Frauen würde einen deutlichen Wirtschaftszuwachs begünstigen. Wäre beispielsweise das Beschäftigungsniveau in Deutschland gleich hoch wie bei Männern, würde das BIP um zwölf Prozent steigen, so die Berechnungen von PwC (2019).

Nur 63 Prozent der Frauen arbeiten in Vollzeit. Aus eigenen Erfahrungen durch meine Tätigkeit in der Personalvermittlung begegne ich häufig Diskriminierungen gegenüber Frauen als Arbeitskraft. Arbeitsmarktchancen für Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, mit Behinderung und über 50 Jahre sind eingeschränkt. Das gesetzliche Gebot zur Gleichbehandlung (AGG), auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, scheint nicht zu greifen.

Können wir es uns als Gesellschaft und führende Industrienation leisten, auf zentrale Gruppen an Erwerbstätigen zu verzichten? Nein!

Wie groß muss der Leidensdruck erst werden, damit Unternehmen zum Umdenken bereit sind? Dem deutschen Arbeitsmarkt stehen mehr Fachkräfte zur Verfügung, als es scheint. Es muss sich nur die Bereitschaft zeigen, sich gegenüber allen Personengruppen zu öffnen und bestehende Gesetze zur Altersteilzeit zu überdenken. Alle Vakanzen werden wir sicherlich auch mit diesen zusätzlichen Fachkräften nicht besetzen können, jedoch werden sich Lücken füllen, bevor der schwierigere Wege wie  durch geplante Migration begangen werden.

 

30% der Unternehmen erhalten Kündigungen zwischen Vertragsunterschrift und dem ersten Arbeitstag. Das heißt, dass ein Drittel der eingestellten Mitarbeiter bereits vor dem Start wieder abspringen und damit das gerade eingegangene Arbeitsverhältnis wieder kündigen.[1]

Wenn neue Mitarbeiter scheitern, liegt es fast nie an einem Mangel an Fachwissen oder Erfahrung. Es ist eher ein unzureichendes Gespür für das kulturelle Selbstverständnis der Organisation, es sind die ungeschriebenen Gesetze der internen Kommunikation oder ein zu langsamer Aufbau von informellen Netzwerken.

Das Wissen um die sogenannte Anfangsfluktuation – das umfasst auch Kündigungen innerhalb des ersten Jahres – ist da. Schließlich glauben 83% der Unternehmen, die Fluktuation durch gezielte Onboarding-Maßnahmen verringern zu können. Über 90% der Arbeitgeber sind sogar der Meinung, dass unterstützende Instrumente die fachliche und soziale Integration neuer Mitarbeiter verbessern und beschleunigen.

Das Zahlengerüst ist eindeutig: Die Anfangsfluktuation neuer Mitarbeiter ist erschreckend hoch. Die Erkenntnis, dass die Integration enorme Vorteile für die Unternehmen bringt, ist auch hoch. Trotzdem nimmt die Einführungs- und Eingliederungsphase eine Nebenrolle ein. Immerhin werden 66% der neuen Mitarbeiter mit Materialien ausgestattet, so dass sie funktionieren können und erhalten eine grundlegende Unterstützung hinsichtlich der Organisationsstrukturen, internen Abläufe und Richtlinien. Lediglich ein Viertel der Unternehmen definieren individuelle Onboarding-Prozesse, in denen der Mitarbeiter in die Kultur eingeführt wird, die Strategien erläutert werden, auf Schnittstellen und eventuelle Interessenkonflikte hingewiesen wird. Es werden genaue Aktionen aufgezeigt, damit der Mitarbeiter zügig operative Handlungsfähigkeit erlangt. Besonders hilfreich ist es, den Neuzugängen einen Paten, Mentor oder Coach zur Seite zu stellen, der ihm für Fragen zur Seite steht und ihn das Unternehmen integriert.

Es zeigt sich, dass Unternehmen ein enormes Potenzial haben, um gute Mitarbeiter mit geringem Ressourcenaufwand zu halten und langfristig zu binden – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Im vergangenen Jahr kam durch den Lockdown erschwerend hinzu, dass neue Mitarbeiter teilweise digital integriert werden mussten. Warum 78% der Unternehmen keine zusätzlichen digitalen Onboarding-Maßnahmen ergriffen haben, ist fraglich. [2]

Dabei zeigen Beispiele, wie viele Betriebe virtuelle Maßnahmen erfolgreich genutzt haben, um Nähe zum neuen Mitarbeiter im Homeoffice aufzubauen: Digitale Meetings mit der Führungskraft, dem Team und dem Buddy, Online-Feedback-Gespräche, Unterlagen abrufbar über das Intranet machen, Speed-Dating mit Kollegen, digitale Kaffeepause, Webinare etc. Neue Mitarbeiter bleiben, wenn sie ein gutes Gefühl vermittelt bekommen und die Arbeit Spaß macht.

Wenn die physische Zusammenarbeit fehlt, braucht es noch mehr persönliche Nähe. Zudem braucht es im digitalen Raum noch viel mehr Lob und Wertschätzung, damit die Motivation bestehen bleibt. Es wird häufig unterschätzt, wie wichtig ein regelmäßiges und konstruktives Feedback ist, um neue Mitarbeiter einzuarbeiten und zu motivieren. Gleichzeitig kann das Unternehmen die Rückmeldungen ihrer neuen Mitarbeiter nutzen, um den Onboarding-Prozess zu verbessern.

Eine fundierte und individuelle Einarbeitung bindet die Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen. Zudem sind die Neuen zufriedener und engagierter, wodurch sie schneller produktiv arbeiten und frühzeitig zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Es lohnt sich, in den Onboarding-Prozess zu investieren. Die Gewinnung neuer Mitarbeiter ist seit Jahren schwierig, zeit- und kostenaufwendig. Die Bindung ist somit von entscheidender Bedeutung für den langfristigen Erfolg der Zusammenarbeit. Verkennen Sie diese Chance nicht.

[1] Haufe, 4. Onboarding Umfrage 2020

[2] ebenda

Die Corona-Pandemie stellt die betriebliche Ausbildung vor große Herausforderungen. Teilweise schließen Betriebe vorübergehend, andere richten Homeoffice-Möglichketen ein und wieder andere nutzen Kurzarbeit. In den meisten Berufsschulen findet während des Lockdowns ausschließlich Distanzunterricht statt.

Die Wissensvermittlung für Auszubildende ist durch betriebliche Einschränkungen nicht mehr gewährleistet. 72% der Unternehmen geben an, dass Lücken entstanden sind, und in weniger als der Hälfte dieser Fälle konnten die Lücken wieder geschlossen werden. Es besteht somit akuter Nachholbedarf.[1]

Das Programm der Bundesregierung zur Förderung der dualen Ausbildung, das u.a. eine Ausbildungsprämie, eine Übernahmeprämie sowie Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung beinhaltet, wird von wenigen Unternehmen genutzt. Ein Grund liegt darin, dass die Vermittlung von Ausbildungsinhalten in Theorie und Praxis nur eingeschränkt möglich ist.

Zahlreiche Betriebe stellen sich die Frage, ob eine Ausbildung unter den gegebenen Voraussetzungen überhaupt Sinn macht. Für Sommer 2021 wird ein radikaler Rückgang an Lehrstellen befürchtet. Jedoch geht nicht nur die Zahl an Ausbildungsstellen zurück, sondern auch die Anzahl der Bewerber (jeweils ca. minus 8-10%). Berufsorientierung ist an den Schulen nur im eingeschränkten Maße möglich und Praktikumsstellen werden aufgrund der Corona-Maßnahmen quasi gar nicht für Schüler angeboten. Der Trend von Abiturienten, sich für ein Studium anstelle einer Ausbildung zu entscheiden, wird durch die gegebenen Umstände in den Betrieben und an den Berufsschulen begünstigt.[2]

Allerdings gibt es auch alternative, kreative Möglichkeiten für die Wissensvermittlung, um den Ausbildungserfolg sicherzustellen.

Die IHK Lüneburg-Wolfsburg nutzt digitale Medien u.a. zur beruflichen Orientierung, um Jugendliche und Ausbildungsbetriebe besser zusammen zu bringen. So finden digitale Bildungsmessen oder Online-Speed-Datings zur Ausbildungsvermittlung statt.

Das Land Baden-Württemberg hat zusammen mit den Partnern des Ausbildungsbündnisses den Versuch gestartet, den Ausbildungsbeginn in den Februar zu verlegen. Damit wurde den Betrieben mehr Zeit gegeben, sich in der Ausbildung zu engagieren und in die Zukunft zu investieren, auch wenn im Herbst aufgrund von Kurzarbeit noch nicht ausgebildet werden konnte.

Andere Firmen binden die Azubis auf digitalen Plattformen in Projekte ein, um sie zu fordern und fördern. Sie können Ihre Ideen einbringen, das Wissen weiterentwickeln und in Gruppen virtuell zusammenarbeiten. Die Auszubildenden erfahren u.a. dadurch, selbständig zu lernen, zu organisieren und ergebnisorientiert zu arbeiten.  Auch Auftaktveranstaltungen und wöchentliche Besprechungen finden virtuell statt, um den Kontakt zu den Auszubildenden aufzubauen sowie zu intensivieren. Der regelmäßige Austausch kann auch über eine interne Kommunikations-App zur Veröffentlichung von Inhalten, Kurznachrichten, Ergebnissen oder anderen Posts stattfinden.

In der Hotellerie spielen die eigenen Mitarbeiter Gäste, um die Auszubildenden trotz geschlossener Türen zu schulen und um sie realistisch auf den normalen Hotelbetrieb vorzubereiten.

Welchen Nutzen – abgesehen von der Nachwuchssicherung – kann es somit haben, während der Pandemie in die Ausbildung zu investieren? Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen gewinnen an digitaler Reife und profitieren vom Kompetenzzuwachs der Azubis, wenn diese eigenständig Digitalisierungsprojekte im Betrieb umsetzen. Dank der Erfahrung aus den Projekten wachsen die Auszubildenden in eine Expertenrolle hinsichtlich der Digitalisierung hinein. Zusätzlich wird dadurch die Attraktivität der Ausbildungsbetriebe, sprich das „Employer Branding“, gesteigert.

Es ist auch eine gesellschaftliche Verpflichtung den Jugendlichen eine Chance zur Ausbildung anzubieten, damit deren Karrierechancen nicht nachhaltig geschädigt werden mit Folgen wie Arbeitslosigkeit als Langzeiteffekt. Die nicht ausgebildeten Fachkräfte fehlen dem Arbeitsmarkt der Zukunft. Erfahrungen aus der Finanzkrise von 2009 zeigen, dass sich der Arbeitsmarkt und die Konjunktur schnell erholen. Jugendliche, die jetzt keine Ausbildung beginnen können, werden es später schwer nachholen können. Sie als Unternehmer werden langfristig von dem Investment „Ausbildung“ profitieren. Geben Sie den Jugendlichen eine Chance.

[1] Randstad-Ifo-Personalleiterbefragung, 2021

[2] Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), 2021

Rückblickend auf das Jahr 2020 wurden Unternehmen bedingt durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie quasi gezwungen mobile Arbeitsstrukturen und digitale Prozesse voranzutreiben sowie neue Wege zur Kommunikation einzuführen. In diesem Zusammenhang wurde das Führen auf Distanz zu einer Herausforderung. Die umgesetzten Veränderungen waren keine Unbekannten und sogar bestehende Forderungen von Arbeitnehmern, doch wurde die Einführung von Remote Work aufgrund von Unsicherheiten und vermeintlichen Kontroll- und Machtverlusten nicht vorangetrieben.

Der Wandel in der Arbeitswelt wird auch die HR-Prozesse in 2021 bestimmen.

 

#1 Hybride Arbeitsmodelle

Die Corona-Krise hat dem Trend zum Mobilen Arbeiten einen enormen Schub gegeben. Nach anfänglicher Euphorie der Arbeitnehmer zeigt sich inzwischen, dass nur 15% nach Aufhebungen der Beschränkungen weiterhin Vollzeit von Zuhause arbeiten möchten. Ca. die Hälfte gibt an, dass die Arbeit im Homeoffice mit der Zeit weniger Spaß macht, 40% finden die Zusammenarbeit aus der Ferner schwieriger und 28% sind schneller abgelenkt.[1]

Am attraktivsten ist für die Mitarbeiter ein hybrides Arbeitsplatzmodell, bei dem sie teilweise im Büro präsent sind, jedoch gleichzeitig die Freiheit und Flexibilität haben, von Zuhause zu arbeiten.

 

#2 Führung auf Distanz

Das Arbeiten auf Distanz stellt auch die Führungskräfte vor Herausforderungen, um die Teams weiterhin zu motivieren und mental stabil zu halten. Niemand kann abschätzen, was der Corona-Herbst und -Winter bringen werden.

Demnach ist es von immens hoher Bedeutung, Zuversicht auszustrahlen und Sicherheit zu vermitteln. Je berechenbarer und nachvollziehbarer das Handeln der Führungskraft vom Team erlebt wird, je transparenter und regelmäßiger die Mitarbeiter informiert und eingebunden werden, umso sicherer werden sich diese auch fühlen und umso erfolgreicher werden die Ergebnisse ausfallen.

Es ist erforderlich, das Kontrollbedürfnis von Vorgesetzten durch eine gesunde, vertrauensvolle Haltung zu versetzen. Grundsätzlich sind die Mitarbeiter leistungswillig und motiviert, die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Im Büro entsteht die Illusion, kontrollieren zu können, ob produktiv gearbeitet wird. Tatsächlich bekommen Führungskräfte allerdings nicht so viel davon mit.

Die fehlenden persönlichen Kontakte können eher zu einem Gefühl der Anonymität führen und auf Dauer die Identifikation mit Kollegen verringern. Verlässliche Regeln für die Zusammenarbeit, regelmäßige (virtuelle) Meetings und gute Erreichbarkeit sind Voraussetzungen, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Ein guter virtueller Führungsstil zeichnet u.a. durch die Fähigkeit aus, Medien und ihre Inhalte bezogen auf die eigenen Ziele und Bedürfnisse entsprechend sachkundig zu nutzen. Im digitalen Austausch hilft es, Medien situationsgerecht auszuwählen und die gängigen Programme wie MS Teams, Zoom oder Skype sicher zu bedienen. In manchen Situationen reicht sicherlich die eMail oder das Telefon als Kommunikationsmedium, in anderen ist es wichtig, die Reaktion der Gesprächspartner zu sehen. Es lohnt sich zudem das mediengerechte Verhalten der Mitarbeiter zu trainieren, insbesondere dann, wenn sie häufig Kontakt nach außen haben.

Einer guten Führungskraft gelingt es, sich selbst und andere zu managen. Genau diese Kompetenz benötigen die Mitarbeiter im Remote Office in Bezug auf Arbeitsorganisation, Zeitmanagement, Selbstmotivation, Stressmanagement, Definition von Zielen und Emotionsregulation. Gutes Selbstmanagement benötigt auch Disziplin in der Kontrolle von Ablenkungen und Routinen.

 

#3 Fachkräftemangel

Trotz höherer Arbeitslosenquote und weniger Stellenangebote, besteht ein stetiger Personalbedarf. Angesichts der demographischen Entwicklung hält der Mangel an qualifizierten Fachkräften in vielen Branchen trotz Corona-Krise an. Besonders betroffen sind die Bereiche Handwerk, insb. Mechanik, Elektronik und Energie, Ingenieurwesen sowie Gesundheit und Bau. Gute Jobaussichten haben Informatikberufe.

Dagegen ist der Bedarf – aufgrund der Krise – enorm gesunken im Hotel- und Gastgewerbe, in der Reise- und Luftfahrtbranche sowie in der Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft. Die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen aus diesen Branchen können teilweise in anderen Fachbereichen eingebracht werden.

Der digitale Wandel und die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt werden das Personalmanagement maßgeblich beeinflussen. Sie haben die Chance, diese Prozesse aktiv mitzugestalten und voranzutreiben. Packen wir es an!

 

 

[1] Personalwirtschaft, 20.10.2020 „Hybride Arbeitsmodelle bevorzugt“