Fachkräfteeinwanderungsgesetz – nein danke?!

Fehlende Arbeitskräfte haben sich zu einem eklatanten Risiko für deutsche Unternehmen entwickelt – unabhängig von der Größe. In allen Berufsgruppen, ob Handwerk, Ingenieurswesen, Medizin oder Pflege, in allen Branchen und in allen Regionen – überall fehlt Personal. Der gesellschaftliche Wohlstand in Deutschland kann nur erhalten werden, wenn Fachkräfte aus der EU oder aus dem außereuropäischen Ausland auf dem deutschen Arbeitsmarkt zugelassen werden. Aus diesem Grund ist am 01.03.2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten, um damit den Zugang und die Perspektiven für qualifizierte Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern zu erleichtern, die unsere Wirtschaft dringend benötigt.

Im Jahr 2022 gab es mehr als 1,7 Millionen offene Stellen in Deutschland. Bis 2035 könnte der deutsche Arbeitsmarkt um bis zu sieben Millionen Arbeitskräfte schrumpfen, wenn nicht gehandelt werde. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder eine Zahl auf: 400.000 Zuwandernde werden jährlich notwendig, um die Lücke am Arbeitsmarkt zu stopfen. [1]

Viele Unternehmen sehen die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften als größten Hebel, um den Folgen des demografischen Wandels zu begegnen. Doch ist die Einwanderung von Fachkräften kein Selbstläufer. Die größte Hürde ist die Sprachbarriere. Während in manchen Berufszweigen wie z.B. IT die deutsche Sprache nicht von elementarer Bedeutung ist, sind fließende Deutschkenntnisse in anderen Berufen/Branchen eine absolut notwendige Voraussetzung. D.h. im Klartext: die ausländischen Fachkräfte müssen bereits bei Ankunft in Deutschland am besten muttersprachlich Deutsch sprechen.

Die nächste Hürde ist die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen. Langwierige, bürokratische Prozesse lassen arbeitswillige Fachkräfte lange im Heimatland im Ungewissen und spannen einstellungswillige Firmen auf die Folter. Zudem müssen die Unternehmen gewährleisten, dass die ausländischen Mitarbeitenden angemessen – vergleichbar mit dem deutschen Lohnniveau – verdienen und sie bei der Wohnungssuche unterstützt werden.

Wer dringend vakante Stellen besetzen möchte, muss bei der Einstellung von Personen aus Drittländern einen langen Atem haben. Schnelligkeit ist nicht gerade die Stärke in den hiesigen Verwaltungen, da sie u.a. nicht auf die erhöhte Nachfrage von ausländischen Bewerbenden vorbereitet sind.

Zusätzlich kämpft Deutschland mit anderen EU-Mitgliedern und den USA um Arbeitssuchende aus Drittstaaten, wo die Karrierechancen teilweise deutlich höher und die bürokratischen Prozesse kürzer sind.

In der Literatur und Medienberichten wird im Zusammenhang mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht über Ängste und Vorurteile gegenüber ausländischen Mitarbeitenden berichtet. Doch die Arbeitgeber beschäftigen auch Fragen wie lange die Arbeitskraft in Deutschland bleiben wird, wie die Integration verläuft, wie die Mitarbeitenden und Kunden auf Sprachhemmnisse, andere Hautfarben, kulturell geprägte Verhaltensweisen reagieren? Das sind ernst zu nehmende Vorbehalte, die vor einer Rekrutierung ausländischer Fachkräfte intern besprochen und geklärt werden müssen.

Eine Integration kann nur gelingen, wenn ein Integrationskonzept vorliegt, eine Willkommenskultur sowie interkulturelle Kompetenz gelebt wird. Integration geschieht nicht von selbst, sondern ist ein andauernder Lernprozess. Wer als Arbeitgeber Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen und halten möchte, sollte diesen Prozess angehen. Der Blumenstrauß zur Begrüßung wird allein nicht ausreichen.

[1] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB-Stellenerhebung; Bundesagentur für Arbeit. Stand: 12. Mai 2022

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