4-Tage Woche. Das Arbeitszeitmodell der Zukunft?

Die 5-Tage-Woche ist wie ein Naturgesetz in unserer Arbeitswelt verankert. Täglich acht Stunden arbeiten; genauso wie es unsere Eltern schon gemacht haben. Erinnern wir uns: 1966 wurde dieses Modell anstelle der 6-Tage-Woche eingeführt. Mit Einführung von Fließbandarbeit und zunehmender Industrialisierung wurden Produktion, Produktivität und Gewinne gesteigert. Die Arbeitszeit wurde sukzessive von 48 auf 40 Stunden gesenkt. Trotz weniger Arbeitstage und -zeit hat sich seitdem unser Wohlstand vermehrfacht.

Zurück in die Gegenwart: Heute beschleunigen zunehmende Digitalisierung und Technologisierung unsere Prozesse und schaffen Freiräume für neue Kapazitäten. Dadurch gerät die klassische 5-Tage-Woche ins Wanken, und sie wird kritisch hinterfragt. Die Forschung zeigt, dass Menschen in Teilzeitmodellen zwischen 10 und 15% produktiver sind als Vollzeitangestellte. Gemäß einer Umfrage der HDI aus 2022, würde ein Großteil der Arbeitnehmer die Arbeitszeit reduzieren, in Teilzeit oder in eine 4-Tage-Woche wechseln wollen – vorausgesetzt der Lohn stimmt. Denn nur 13,7% der Befragten würden bei der Arbeitszeitreduzierung auf Gehalt verzichten wollen.

Auf Arbeitgeberseite wird die Frage laut, wie das hohe Arbeitsaufkommen in Anbetracht fehlender Fachkräfte an vier Tagen erledigt werden soll. Fast 50% der Unternehmen sahen das Geschäft durch den Mangel an Personal beeinträchtigt. Die Wünsche der heranwachsenden Generationen in Einklang zu bringen mit traditionellen Arbeitsmodellen klingt nach der Quadratur des Kreises. In westlichen Industrienationen steht die klassische 5-Tage-Woche auf dem Prüfstand: Belgien hat Anfang dieses Jahres die 4-Tage-Woche gesetzlich verankert – allerdings bei gleicher Stundenanzahl – und zahlreiche Unternehmen setzten dieses Modell oder andere flexible Arbeitszeitmodelle bereits vor Jahren mit Erfolg um.

Es gibt für beide Seiten gute Argumente für und gegen die Reduzierung der Arbeitszeit auf gleichem Lohnniveau. Und es wird auch keine Lösung geben, die auf alle Branchen passen wird. In Branchen, in denen die Anwesenheit nicht zwingend notwendig für die Ausführung der Arbeit ist wie z.B. in IT-Berufen lässt sich tendenziell ein 4-Tage-Modell eher umsetzen. Problematischer wird der Fall in Berufen der Gesundheitsbranche, da die Anwesenheit des Personals vorausgesetzt wird. Weniger Anwesenheit würde mehr Personal bedeuten, was aktuell ohnehin schon knapp ist.

Ein Experiment in Island stimmt wiederum euphorisch, dass die 4-Tage-Woche bei gleichbleibendem Gehalt funktionieren kann. Trotz reduzierter Arbeitszeit blieben Produktivität und erbrachte Leistungen gleich, teilweise verbesserten sie sich auch. Der Erfolg basiert auf der Überarbeitung von Arbeitsroutinen. Meetings wurden verkürzt oder gänzlich durch eMails ersetzt, und es wurde gezielt nach Aufgaben gesucht, die sich streichen ließen.

In einem anderen Unternehmen wurde die Arbeitszeit auf sechs Stunden pro Tag verkürzt. Voraussetzung war (die Angestellten hatten die Wahl diesem Pilotprojekt zuzustimmen), dass die private Korrespondenz via Telefon, WhatApp o.ä., den Mitarbeitenden gänzlich untersagt wurde. Und siehe da: Die Arbeitszeit wurde wesentlich effizienter genutzt, die Produktivität stiegt und die Beschäftigten freuten sich über mehr Freizeit.

Unabhängig von dem Modell, ob 4- oder 5-Tage-Woche, ob Teil- oder Vollzeit, unabhängig von Branche und Tätigkeit, geht es um mehr Arbeitszeitflexibilität angepasst an den individuellen Bedürfnissen. Während einer Familienphase mit kleinen Kindern ist sicherlich mehr Flexibilität gewünscht als von familiär unabhängigen Menschen. Wünschenswert ist die grundsätzliche Offenheit, andere Arbeitsweisen und -modelle auszuprobieren und das für sich passende Mosaik zu entwickeln. Es braucht Mut, neue Wege einzuschlagen, aber es lohnt sich. Übrigens sind flexible Arbeitsmodelle ein elementares Entscheidungskriterium für oder wider eines Jobs bzw. Arbeitgebers. Nutzen Sie Flexibilität als Ihr I-Tüpflchen und Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Mitbewerbern.

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